Alkohol vs. Cannabis

Alkohol und seine Folgen für die Gesellschaft im Vergleich zu Cannabis

Hintergrund für diesen Artikel und die Motivation diesen Artikel zu schreiben, bilden Diskussionen mit Gesundheitsberater/-innen und Gespräche mit Bürgern über ihre Meinung zur Legalisierung von Cannabis und zum legalen Alkohol. Nach Erkenntnis, dass viele Informationen über den Nutzen einer Legalisierung von Cannabis in vielen Teilen der Bevölkerung bisher nicht bekannt zu sein scheinen, entwickelte sich eine nicht zu ertragende Frustration gegenüber der betriebenen Drogenpolitik und Suchtprävention. Das gerade in Positionen der Gesundheitsämter Personen agieren, welche sich noch immer an antiquierten Argumenten festhalten, fernab der Realität, fernab von jeglichen wissenschaftlichen Erkenntnissen, ist mir bis heute unbegreiflich.

Wie konnte das geschehen? Wie kann es sein, dass Ignoranz, Unkenntnis über die Faktenlage, unfundierte Meinungen, sich dermaßen etablieren konnten (und das auch noch genau da, wo es so dringend nötig wäre)?

Aber zurück zum Anfang. Schauen wir uns erst einmal die Zahlen an und was über Alkoholkonsum und die Folgen für die Gesellschaft bekannt ist.

Wie viele Menschen sterben an den Folgen von Alkohol pro Jahr in Deutschland?

  • 74.000, allein durch Alkohol oder bedingt durch den Konsum von Tabak und Alkohol (1)

Wie viele Menschen erleiden eine Leberzirrhose durch Alkohol?

  • 35.344, im Jahr 2021 registriert (2)

Wie viele erleiden ein Wernicke-Enzephalopathie?

  • Prävalenz (in Autopsien): 0,3-0,8 % in Deutschland (insb. Milde Verlaufsformen sind sehr wahrscheinlich klinisch unter diagnostiziert) (3)

Wie verteilt sich der Konsum von Alkohol auf die Altersstruktur der Bevölkerung?

Angaben in Prozent. Ergebnisse der Dual-Frame-Stichprobe, Definition Rauschtrinken 5+: fünf Gläser oder mehr bei einer Gelegenheit (männliche Befragte), Definition Rauschtrinken 4+: vier Gläser Alkohol oder mehr bei einer Gelegenheit (weibliche Befragte) (4)

Wie viele Menschen sterben durch Alkoholkonsum und in welchem Alter?

(5)

Abbildung, Patient:innen der Hauptmaßnahmen „Ambulante medizinische Rehabilitation“ und „Stationäre medizinische Rehabilitation“

Wie viele Jugendliche oder junge Erwachsene waren im Krankenhaus aufgrund von Alkohol (und wie viele wegen Cannabis)?

  • 11.700 Zehn- bis 19-Jährige im Jahr 2022 wurden stationär aufgrund einer akuten Alkoholvergiftung behandelt (6)

Zur Verdeutlichung wurden Alkohol und Cannabis hier rot hervorgehoben (7)

  • Zum Vergleich, die Zahlen zu Cannabis:

Einbezogen sind Personen, die aufgrund einer eigenen Symptomatik im Jahr 2021 in der Hauptmaßnahme „Ambulante medizinische Rehabilitation (ARS)“ behandelt wurden und Personen, die aufgrund einer eigenen Symptomatik in der Hauptmaßnahme „Stationäre medizinische Rehabillitation (STR) behandelt wurden (7)“

Wie viele Tote gibt es in Deutschland durch Alkohol am Steuer?

  • Durch Alkohol verunglückte insgesamt: 16.426, Schwerverletzte: 4.272, Getötete: 165 (8)

Wie viele Babys werden geboren mit Schäden durch elterlichen Alkoholkonsum während der Schwangerschaft?

  • Mehr als 10.000 werden pro Jahr werden pro Jahr mit fetalen Alkoholspektrum-Störungen geboren, rund 3.000 weisen das Vollbild des fetalen Alkoholsyndroms auf, in den meisten Fällen sind sie ihr Leben lang auf Hilfe angewiesen (9)

Welche anderen Krankheiten kann der Konsum von Alkohol begünstigen?

  • Neben Leberzirrhose sind es: periphere Neuropathien, Gehirnschäden, Herzmuskelschäden, Gastritis, Bauchspeicheldrüsenentzündung, alkoholbedingter Tremor, chronisches subdurales Hämatom, Delirium tremens bis zu Koma (unbehandelt sind 15 % tödlich), Degeneration des Nervus Opticus, zentrale pontine Myelinolyse (kann reichen von Lähmungen der Extremitäten bis zu fast immer tödlich verlaufendem Locked-In-Syndrom, Hirnschrumpfung, Ataxie, Demenz, Alkoholepilepsie (10)
  • Krebserkrankungen durch Alkohol: Krebs im Mund- und Rachenraum, Kehlkopfkrebs, Speiseröhrenkrebs, Brustkrebs, Leberkrebs, Darmkrebs, möglicherweise Bauchspeicheldrüsenkrebs (11)

Und was zu guter Letzt kostet das Deutschland?

  • Volkswirtschaftliche Kosten durch Alkohol betragen rund 57 Milliarden Euro pro Jahr (Jahrbuch Sucht 2022) (12)

Und wie sieht es beim Cannabis aus? (nur zum Vergleich)

  • Absolut alarmierend! Die Zahl der Todesopfer durch Cannabis ist auch dieses Jahr (0 Fälle) gegenüber zum Vorjahr (0 Fälle) nicht gesunken (13)
  • Eine Studie kommt zu dem Ergebnis, dass gut die Hälfte der Befragten einer Suchthilfestation Probleme in der Schule oder der Familie habe, und ein Drittel Probleme im Freundeskreis, im Beruf oder der Partnerschaft. Interessant ist daran, dass diese Studie sich angeblich auf eine Befragung von sage und schreibe 198 Befragten stützt! Ergo liefert diese Studie keine validen Zahlen. Die Studie selbst konnte ich leider nicht finden und kann daher nur angeben, wo ich diese Zahlen herhabe (14). Klar ist, dass es hier an Transparenz und Informationen seitens der Bundesregierung mangelt.
  • Die Internet-Recherche ergibt, dass die Bundesregierung durch eine Studie die volkswirtschaftlichen Kosten auf ca. eine Milliarde Euro schätzt. 2.438 Euro soll der Konsum jeden Konsumenten jährlich kosten. Zur Kostenschätzung wurde eine Stichprobe der Techniker Krankenkasse mit 146.000 Versicherten und davon 1.245 Personen mit einer auf schädlichen Cannabiskonsum hinweisenden Diagnose (ICD-10-gm-Code F12) ausgewertet (15).
  • Was sich allerdings schnell finden lässt ist, wie viele Mehreinnahmen eine Legalisierung von Cannabis dem Staat bringen könnte: 4,7 Milliarden € (16).

Und wie sieht es mit dem Bewerben des Konsums von Alkohol seitens der Bundesregierung (und sogar Drogenbeauftragten aus? Ein kritisches Denken zum Alkohol scheint nicht vorhanden zu sein. Frau Daniela Ludwig (CDU) äußerte sich via Twitter dazu: „Und das Zigaretten selbst bei bestimmungsgemäßen Gebrauch Gesundheitsschäden auslösen im Gegensatz zu Zucker und Alkohol“ (17). Alkohol ist ein Nervengift und wenn man genug trinkt, kann man feststellen, wie es z. B. das Kleinhirn ausschaltet, man schwankt und kann nicht mehr geradeaus laufen. Auch wirkt es sich auf das Sprachzentrum aus, das Lallen von Betrunkenen ist allgemein bekannt. Nun, Herr Kubicki nimmt an Weinpodcasts teil („4 Flaschen“ nennt sich der Podcast) und sagt, er vermisse Politiker, die gern Wein trinken, auch in der Öffentlichkeit (18).

Der CDU-Politiker Schockenhoff bekannte sich zu seiner Alkoholkrankheit (19). Joschka Fischer äußerte sich 1983, dass der Bundestag eine unglaubliche Alkoholikerversammlung sei, die teilweise ganz ordinär nach Schnaps stinken würde. Je länger eine Sitzung dauere, desto intensiver (19). Suchtexpert:innen seien sich eigentlich einig darüber, dass Deutschland ein Alkoholproblem hat, so nach einem Bericht des ZDF zum Jahresanfang 2021 mit dem Titel „Die Politik und die Alkohol-Lobby“ (20). Herr Söder macht den Anstich zum Oktoberfest, welches ich jetzt einfach mal unkommentiert lasse. Es ist halt eine Tradition in Deutschland, dass Politiker das machen und es ist ja Kulturgut. Und dann sind da auch die Kampagnen, wie „Kenne dein Limit“ z.B., Kostenpunkt: 500 Millionen €. Zahlenmäßig hat sich da aber recht wenig dadurch getan, eine leicht rückläufige Tendenz, ob das aber mit den Kampagnen zusammenhängt, lässt sich nicht genau überprüfen. Oder hängt es vielleicht damit zusammen, dass es einfach ein genereller Trend ist, dass seit Jahrzehnten der Alkoholkonsum langsam, aber stetig sinkt? Es ist ein weltweiter Trend und eben kein rein deutsches Phänomen. Vielleicht hängt es mit zunehmender Digitalisierung zusammen? Oder es ist einfach nicht mehr cool Alkohol zu trinken? Es ist viel cooler heutzutage keinen Alkohol zu trinken, Fitnesstrends nachzugehen, darauf zu achten, was man isst und trinkt, nehme ich jedenfalls an.

Was mich auf die Palme bringt, dass es Menschen, welche gelegentlich Cannabis konsumieren und keinen Alkohol nicht gerecht wird. Hat jemand außer mir auch mal den Satz gehört „trink lieber Alkohol, anstatt Cannabis zu rauchen, denn Alkohol ist legal“? Der Konsum von Alkohol ist also okay, aber wehe, du rauchst Cannabis, der ist verboten, weil es eine illegale Droge ist (21). Das ist eine Aussage der damaligen Drogenbeauftragten Marlene Mortler. Beeindruckender Scharfsinn einer Drogenbeauftragten, oder? Mit Daniela Ludwig wurde es dann auch nicht besser.

Die in Vergangenheit praktizierte Drogenpolitik sei gescheitert nach Aussage von Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach (22). Da stimme ich absolut zu! Wenn Menschen, vielleicht auch nur eine kleine Minderheit, es bevorzugen, eine weitaus ungefährlichere Substanz, als Alkohol zu konsumieren, dann sollte das toleriert werden. So viel Toleranz sollte ein aufgeklärter Mensch aufbringen können.

Die Argumente von Parteien wie der CDU sind, dass mit einer Legalisierung von Cannabis der zukünftige Konsum beworben würde. Ein Widerspruch, denn wie soll ein Cannabis Social Club den zukünftigen Konsum bewerben, wenn er keine Werbung machen darf? Er darf unter anderem auch kein Social Media nutzen, um Konsumenten zum Beispiel aus der Versorgung des Schwarzmarktes heraus in einen legalen Cannabis Social Club zu bekommen. Er soll nach außen hin unsichtbar sein, lediglich auf einem Klingelschild dürfte der Name des Clubs zu sehen sein. Eine Plausibilität in der Argumentation fehlt, sie ist nicht einmal latent vorhanden.

Auch dass die Konsumzahlen steigen würden ist, stimmt so nicht. Nach Studienlage ist das faktisch nicht der Fall (23). Zum einen kann man den Zusammenhang mit einer Gesetzesänderung schwer nachweisen, denn man weiß nicht, was passiert wäre ohne eine Gesetzesänderung. Zweitens können auch andere Faktoren zu einem Anstieg führen, wie zum Beispiel Epidemien bestimmter Drogen oder andere Krisen im Land.

Quellen:

  1. https://www.bundesgesundheitsministerium.de/service/begriffe-von-a-z/a/alkohol.html
  2. https://de.statista.com/statistik/daten/studie/150967/umfrage/alkoholische-leberzirrhose-in-deutschland-seit-2000
  3. https://www.amboss.com/de/wissen/wernicke-enzephalopathie/
  4. BZgA-Forschungsbericht, Der Alkoholkonsum Jugendlicher und junger Erwachsener in Deutschland, Ergebnisse des Alkoholsurvey 2016 und Trends, S.28, Mai 2017
  5. Dipl.-Volkswirt Stefan P. Rübenach et al., Statistisches Bundesamt, Wirtschaft und Statistik, S.285, März 2007
  6. https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/140663/Weniger-Jugendliche-wegen-Alkoholkonsums-stationaer-behandelt
  7. Institut für Therapieforschung, Patient:innen der Hauptmaßnahmen „Ambulante medizinische Rehabilitation“ und „Stationäre medizinische Rehabilitation“, Kurzbericht NR.1/2023, Deutsche Suchthilfestatistik 2021, S. 3 und 4, München, April 2023
  8. Statistisches Bundesamt, Verkehrsunfälle, Unfälle unter dem Einfluss von Alkohol oder anderen berauschenden Mitteln im Straßenverkehr 2021, Dezember 2022
  9. Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, BZgA zum Tag des alkoholgeschädigten Kindes, Köln, September 2019
  10. https://www.spektrum.de/lexikon/neurowissenschaft/alkoholbedingte-krankheiten/393
  11. https://www.dkfz.de/de/krebspraevention/Krebsrisiken_das-sagt-die-Wissenschaft/2_Risikofaktor_Alkohol/Risikofaktor-Alkohol.html
  12. https://www.bundesgesundheitsministerium.de/service/begriffe-von-a-z/a/alkohol.html
  13. https://www.quarks.de/gesundheit/drogen/alkohol-gegen-cannabis-was-ist-schaedlicher/
  14. https://cannabis-rausch.de/magazin/kolumne/kein-schaden-durch-cannabis-vwl/
  15. https://www.dbdd.de/fileadmin/user_upload_dbdd/03_Situation/PDFs/Spezialthemen/kosten_drogenbezogener_behandlung_deutsch.pdf
  16. Prof. Dr. Justus Haucap et al., Fiskalische Auswirkungen einer Cannabislegalisierung in Deutschland: ein Update, S. 8, November 2021
  17. Stevens A. Is policy ‘liberalization’ associated with higher odds of adolescent cannabis use? A re-analysis of data from 38 countries. Int J Drug Policy. 2019 Apr;66:94-99.
  18. https://www.abendblatt.de/podcast/vier-flaschen/article228495967/weinpodcast-vier-flaschen-wolfgang-kubicki-bundestagsvizepraesident-alkohol.html
  19. https://www.spiegel.de/politik/deutschland/politik-und-alkohol-tabubruch-im-berliner-trinkbetrieb-a-773205.html
  20. https://www.zdf.de/funk/die-da-oben-12030/funk-die-politik-und-die-alkohol-lobby-100.html
  21. https://www.tagesspiegel.de/politik/marlene-mortlers-kampf-gegen-cannabis-8057017.html
  22. https://www.bundesgesundheitsministerium.de/presse/interviews/wdr2-13-04-23.html
  23. Deutscher Bundestag, Legalisierung von Cannabis, Auswirkungen auf die Zahl der Konsumenten in ausgewählten Ländern, 2019

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